Il cantante Frei.Wild Philipp Burger: La mia uscita dalla scena nazista | Divertimento

Es ist eine Abrechnung mit sich selbst.

Philipp Burger (42), Sänger der südtiroler Rockband Frei.Wild, war in seiner Jugend ein Nazi-Skinhead. In dem neuen Buch „Freiheit mit Narben“ (Kampenwand Verlag) beschreibt der Musiker, was ihn zunächst an der Szene im Norden Italiens faszinierte und wie es schließlich zu seinem Umdenken kam.

Will sich Burger mit dem Buch reinwaschen?

Er zu BILD: „Nein! Ich stehe zu meinen Fehlern. Ich wundere mich noch heute, wie ich so einen Dreck gut finden konnte. Ich will Jugendlichen, die wie ich damals dem rechtsradikalen Gedankengut anhängen, zeigen: Es gibt immer eine Chance auszusteigen, alles richtigzustellen und eine Zukunft zu haben.“

Burger (2.v.r. unten) war laut Polizei Anführer einer Nazi-Skinhead-Gruppe in Südtirol

Foto: Philipp Burger

Sein Einstieg in die Szene, so schreibt Burger, ist 1996 mit 15, als ihm ein Freund während seiner Internatszeit erstmals Songs der Rechtsrock-Band Störkraft vorspielt. „Der erste Tentakel der Sucht nach maximaler Abgrenzung und Rebellion hat ihre Saugnäpfe an mir platziert.“

Denn: „Ganz besonders angetan haben es mir dabei die Zeilen über das Unbeugsam-Bleiben, über Zusammenhalt, Freiheit und Auflehnung gegen sämtliche Obrigkeit. Ebenso feiere ich aber auch die Lieder über das Saufen, über Frauen und den Spaß, den die alle ständig und überall haben.“

Aus diesem süßen Fratz wurde einige Jahre später ein Nazi-Skinhead

Aus diesem süßen Fratz wurde einige Jahre später ein Nazi-Skinhead

Foto: Philipp Burger

Nach dem Rauswurf aus dem Internat umgibt sich Burger nur noch mit Jugendlichen, die seine Einstellungen teilen. „Heute würde man sowas als ‚Filterblase‘ bezeichnen. Leute, die das Gleiche denken und sagen, die gleiche Musik hören und den gleichen Mist bauen.“

Burger hört Nazi-Musik

Burger hört immer aggressivere Musik. Bis hin zu „Landser“, die später in Deutschland als erste Musikgruppe zur kriminellen Vereinigung erklärt werden. Er schreibt: „In deren Texten ging es um eine gezielt zynisch vorgetragene Verherrlichung des Dritten Reichs. Um Hass gegen Juden, gegen Schwarze, gegen Polen, gegen Kommunisten. Gegen alle eben, die nicht in ihr krankes Herrenrasse-Großdeutschland-Weltbild passen.“

Doch bis zu dieser Erkenntnis wird Burger noch mehrere Jahre brauchen. Zunächst findet er die „Lieder“ spannend – weil sie verboten und von der Gesellschaft geächtet werden.

Philipp als Kind mit seinen Eltern Margherita und Wilhelm

Philipp als Kind mit seinen Eltern Margherita (Lehrerin) und Wilhelm (Geometer). Er hat noch zwei Schwestern

Foto: Philipp Burger

Durch die Musik erhält Burger Kontakt zu Skinheads, wird immer radikaler in seinen Einstellungen. Befeuert durch Auseinandersetzungen mit Italienern und der Polizei. Er rasiert sich die Haare, feiert mit Gleichgesinnten Bunker-Feste. Bei denen an den Wänden Hakenkreuz- und Reichskriegsflaggen hängen.

Er bereut den Hitlergruß

Dabei zeigt auch Burger den Hitlergruß und brüllt „Sieg Heil“, wie er schreibt. Zu BILD sagt Burger: „Das ist die schlimmste Bewegung, die ein Mensch machen kann. Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich all das komplett löschen.“

Doch damals, so schreibt der heutige Rockstar, ist er ein „Arschloch in einer Arschloch-Szene“. „Das war alles ein Verschwörungstheorie-Mist aus einer Horde aus ‚Deutschland, Deutschland, über alles‘-Brüdern.“

Burger während seiner Lehre als Dachdecker, noch vor dem Einstieg in die Nazi-Szene

Burger als gelernter Zimmermann (hockt auf dem Giebel). Seine Lehre begann er 1996

Foto: Philipp Burger

Den Holocaust hat Burger nie geleugnet

Nur bei einem Thema liegt der jugendliche Philipp mit seinen damaligen Nazi-Freunden quer: dem Holocaust. Die Erzählungen seiner Großtante Rita, einer Nonne, die oft in Israel war und ihm von der Judenverfolgung während der Nazi-Zeit berichtete, hatten ihn geprägt. „Antisemitische Aussagen und Behauptungen in die Richtung, dass es den Holocaust gar nicht gegeben hätte, konnte ich nicht stehen lassen. Das führte zu lautstarken Diskussionen.“ Deshalb aber die Gruppe zu verlassen, dafür sieht er noch keinen Anlass.

Da die Musik ein verbindendes Element der Skinhead-Szene ist, versucht sich Burger selbst daran, zu komponieren, zu schreiben und zu spielen. Gründet mit zwei Freunden die Gruppe Kaiserjäger. In seinem Buch schreibt er dazu: „Die meisten Lieder handelten von der Skinhead-Szene, von Alkohol, Freundschaft und Österreich, Südtirols altes Vaterland.“

Aber: „Wegen des Songs ‚Selber Schuld‘ ist uns zu recht der Stempel ‚rechtsradikale Band‘ verpasst worden. Dieser Mist entfloss meinem Geist. Ein schlimmer Fehler. Dazu stehe ich. Weil ich es für wichtig halte, die Verantwortung für sein eigenes Tun zu übernehmen.“

Italienische Polizisten kontrollieren den jungen Burger, der dabei den rechten Arm hebt

Italienische Polizisten kontrollieren den jungen Burger, der dabei den rechten Arm hebt

Foto: Philipp Burger

Der Zivildienst öffnete Burger die Augen

Sein Ausstieg beginnt Mitte 2000, mit seinem Zivildienst im Krankenhaus Brixen. „Das war der ausschlaggebende Baustein für die Kehrtwende in meinem Leben. Nichts hat mir mehr die Augen für das wirklich Wichtige im Leben geöffnet. Ich begriff zum ersten Mal, dass es im Leben um mehr geht als um Arbeit, Saufen, Party und Rangeleien. Hier hatten die Dinge, die ich tat, einen tieferen Wert.“

Zudem: „In jeder Schicht, in jeder Sprache, aus jeder Religion gab es nette, hilfsbereite, zuhörende Menschen. Mein bisher schön einfach gemaltes schwarz-weißes Weltbild wurde komplett auf den Kopf gestellt. Ich schwor mir: Dieses Alle-über-einen-Kamm-Scheren wird fortan nie wieder passieren.“

Ihm wird klar: „Ich wollte Gutes um mich haben und Gutes bewirken. Lebensfreude, Liebe, Schönheit. Ich hatte so viele Stunden meines Lebens in den vergangenen Jahren gegen falsche Dinge und Einstellungen getauscht.“

Naturverbunden: Der Sänger geht gern Angeln und liebt es draußen zu sein

Naturverbunden: Der Sänger geht gern Angeln und arbeitet neben der Musik als Öko-Bauer

Foto: Philipp Burger

Burger bricht mit der Nazi-Szene, lässt sich die Haare wachsen und versenkt seine Springerstiefel und die Rechtsrock-CDs im südtiroler Fluss Eisack. „Der letzte Rest von dem schweren Stein, den ich auf dem Herzen hatte, fällt von mir ab.“

Wenige Monate später gründet er mit drei Freunden die Gruppe Frei.Wild. Erobert mit ihnen bis heute siebenmal Platz 1 der deutschen Album-Charts und füllt bei Konzerten die größten Hallen.

Philipp Burger auf einem älteren Foto mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern. Ihre Namen hält er aus der Öffentlichkeit raus

Philipp Burger auf einem älteren Foto mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern. Ihre Namen hält er aus der Öffentlichkeit raus

Foto: Philipp Burger

Trotzdem sind er und Frei.Wild bei Kritikern weiterhin umstritten. Allerdings mehr in Deutschland, wo ihm vorgeworfen wird, mit dem Song „Südtirol“ eine nationalistische Hymne erschaffen zu haben. Denn darin heißt es: „Südtirol, deinen Brüdern entrissen. Schreit es hinaus, dass es alle wissen. Südtirol, du bist noch nicht verloren. In der Hölle sollen deine Feinde schmoren.“

Das sagt er zur Kritik an Frei.Wild

Das weist Burger weit von sich. Grund für das Lied und viele Diskussionen über ihn und Frei.Wild sei ein unterschiedliches Verständnis von Heimat. „Aufgrund von Südtirols komplexer Historie ist der in Deutschland so verrufene Patriotismus bei sehr vielen Südtirolern besonders ausgeprägt. Aber komplett anders gelagert als ‚Deutschnationalismus‘.“

Der Sänger zu BILD: „Mit rechtem oder gar rechtsradikalem Gedankengut habe ich seit Jahrzehnten nichts mehr zu tun. Die Menschen zu überzeugen, dass ich nicht mehr so bin, wie ich mal war, wird aber leider noch viele Jahre dauern.“

Mit Frei.Wild füllt Burger (vorn) wie in Frankfurt teilweise sogar Fußballstadien

Mit Frei.Wild füllt Burger (vorn) wie in Frankfurt teilweise sogar Fußballstadien

Foto: Philipp Burger

Emiliano Brichese

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